Weidezeit ist Futterzeit

Pferde anweiden
Gras ist ein schmackhaftes, energie- und proteinreiches Futter für Pferde. Bildquelle: Slawik

Weidegang bedeutet Fütterung

Gras ist sowohl ein gehaltvolles wie auch überaus schmackhaftes Futter für Pferde. Auf der Koppel bewegen sich Pferde in der Regel nicht nur, sie fressen auch Gras. Frisst ein Pferd auf der Koppel zusätzlich zu seinem im Winter üblichen Grundfutter Gras und wird genauso viel bewegt wie im Winter, wird es zwangsläufig zunehmen. Daher sollte die Fütterung beim Weidegang an die zusätzliche Grasaufnahme angepasst werden. Die Umstellung von Heu auf frisches (junges) Gras bedeutet für den Verdauungstrakt eine erhebliche Umstellung. Um Verdauungsbeschwerden wie Kotwasser, Durchfall, im schlimmsten Fall Koliken und auch angelaufene Beine sowie Hufrehe zu vermeiden, müssen Pferde deshalb vorsichtig angeweidet werden. Mehr zum Thema An- und Abweiden erfahren Sie hier.

Welche Mengen Gras ein Pferd auf der Weide aufnimmt, können Sie hier abschätzen, wobei an dieser Stelle nur eine sehr grobe Verallgemeinerung möglich ist.

Tabelle 1: Aufwuchs rund 5 cm

Gewicht Pferd1 Std.3 Std.6 Std.12 Std.24 Std.
200 kg2,7 kg2,2 kg1,7 kg1,1 kg1,1 kg
400 kg3,8 kg3,0 kg2,6 kg1,8 kg1,8 kg
600 kg4,2 kg3,5 kg3,0 kg2,5 kg2,5 kg

 

Tabelle 2: Aufwuchs 10 cm und mehr, guter Bewuchs

Gewicht Pferd1 Std.3 Std.6 Std.12 Std.24 Std.
200 kg4,5 kg3,6 kg3,0 kg2,5 kg1,1 kg
400 kg6,0 kg4,6 kg4,2 kg3,5 kg2,3 kg
600 kg8,0 kg5,8 kg5,2 kg4,7 kg3,5 kg

 

Das Risiko – Mehr Kilos (trotz Sport)

Die mehr oder weniger gute Nachricht ist: Nimmt ein Pferd zusätzlich Gras zu seiner normalen Fütterung auf, wird es sehr wahrscheinlich zunehmen. Grundsätzlich muss daher auf den Ernährungszustand und das Leistungsniveau des Pferdes geachtet und dementsprechend Futter abgezogen werden.

Für Sportreiter fällt z. B. die Anweidezeit meistens genau in den Beginn der grünen Saison und auch Freizeitreiter nutzen das gute Wetter, um wieder mehr Zeit mit ihrem Pferd zu verbringen. In dem Fall steht dem Mehr an Energie und Eiweiß, das das Pferd über das Gras aufnimmt, auch ein Trainingsanstieg entgegen. Dennoch ist nicht zu unterschätzen wie viel Energie und Eiweiß mit der Grasaufnahme verbunden ist.

Hier ein Rechenbeispiel: Ein 600 kg schweres Pferd nimmt bei einer Fütterung von z. B. 11 kg Heu und 2 kg Hafer rund 102 MJ verdauliche Energie und 1000 g Eiweiß auf. Nun kommt unser Beispielpferd auf eine gepflegte Weide und frisst dort innerhalb von 3 Stunden etwa 17 kg Gras. Das bedeutet eine Mehraufnahme von 34 MJ Energie und 660 g Eiweiß. Wird also bei zusätzlichem Weidegang von der Fütterung nichts abgezogen, würde unser Beispielpferd in der Koppelsaison auf einmal rund 1,3-1,5 mal soviel Energie und Eiweiß wie davor erhalten.

Dieses Mehr an Energie und Eiweiß ist mit vermehrtem Training nicht abzufangen, sodass bei Koppelgang ein Teil der bisherigen Stallration (entsprechend der möglichen Grasaufnahme) reduziert werden muss. Graslänge (Bewuchs), Zeitdauer des Weideganges und individuelles Fressverhalten geben die abzuziehenden Mengen vor (siehe Tabelle oben).

Futterabzug bei Weidegang

Bei Pferden mit optimalem Ernährungszustand oder Übergewicht sollte daher unbedingt die Grundfütterung an den Weidegang angepasst werden, d. h. im Klartext, die Gesamtfuttermenge aus Rau- und Krippenfutter muss reduziert werden.

Im Herbst, wenn weniger Bewuchs auf der Weide ist, muss andersherum das Grundfutter wieder erhöht werden, z. B. durch Zufütterung von Heu auf der Weide. Dennoch gibt es Anhaltspunkte, wie viel Futter ungefähr abgezogen/ergänzt werden sollte, damit ein Pferd erst gar nicht zu dick bzw. zu dünn wird.

Wie viel Futter abgezogen werden muss, hängt von der aufgenommenen Grasmenge ab. Diese ist leider schwer zu schätzen und hängt von folgenden Faktoren ab:

  1. Zeitdauer des Weideaufenthaltes
  2. Größe der Fläche
  3. Art und Dichte des Bewuchses
  4. Jahreszeit, z. B. wächst das Gras im Mai und Juni extrem schnell, im Oktober/November nur noch gering
  5. Individuelles Fressverhalten Ihres Pferdes

Daumenformel: 4 Kilogramm Gras ersetzen energetisch ungefähr 1 kg Heu oder 500 g Hafer.

Bei der Verteilung des Raufutters (= Heu oder bei langem Weidegang/leichtfuttrigen Pferden auch Stroh) sollte darauf geachtet werden, dass möglichst keine Fresspausen über 4–6 Stunden entstehen.
 

Beispiel 1: 3h Koppelgang und Bewuchs mehr als 10 cm

Darf ein Pferd von 600 Kilogramm 3 Stunden auf eine Koppel mit über 10 cm Aufwuchs, nimmt es ungefähr 5,8 kg (Tabelle 2) x 3 (Stunden) = 17,4 kg Gras auf.

Damit das Pferd dennoch nicht zunimmt, können je nach vorheriger Grundfütterung z. B. folgende Futtermengen abgezogen werden, um die aufgenommene Grasmenge auszugleichen. Dabei unterstellen wir, dass 4 Kilogramm Gras energetisch ungefähr 1 kg Heu oder 500 g Hafer entsprechen. Daher ergeben sich für 17,4 kg Gras folgende Futtermengen, die jeweils abgezogen werden könnten:

4,4 kg Heu oder 2,2 kg Hafer oder 2 kg Heu und 1 kg Hafer

 

Beispiel 2: 12h Koppelgang und Bewuchs mehr als 10 cm

Darf ein Pferd von 400 Kilogramm 12 Stunden auf eine Koppel mit über 10 cm Aufwuchs, nimmt es ungefähr 3,5 kg x 12 (Stunden) = 42 kg Gras auf. Damit wäre der Energiebedarf für die meisten Pferde eigentlich bereits gedeckt.

Um kein Übergewicht zu provozieren, bedeutet das, dass unserem Beispielpferd außerhalb der Weidezeit nur noch Stroh zur Verfügung stehen sollte. Wenn Strohfütterung keine Option ist und mehrstündige Fresspausen vermieden werden sollten (Erhalt der Heuzugabe), dann muss die Koppelzeit oder die Grasaufnahme (Fressbremse) reduziert werden.

Die Entwicklung der Figur unseres Beispielpferdes muss über die Koppelsaison daher kritisch im Auge behalten werden.

Futterabzug berechnen

1Schätzung der Grasaufnahme auf der Weide in kg

  • Auswahl der richtigen Tabelle: Tabelle 1 (wenig Bewuchs) oder Tabelle 2 (viel Bewuchs)
  • Ablesen der Grasaufnahme pro Stunde anhand der Weidezeit (Stunden täglich) und dem Körpergewicht Ihres Pferdes
  • Berechnung der täglichen Grasaufnahme: ergibt sich aus geschätzter Grasaufnahme pro Stunde (aus Tabelle abgelesen) multipliziert mit der täglichen Weidezeit in Stunden
     

2Umrechnung der geschätzten Grasaufnahme: 4 Kilogramm Gras ersetzen energetisch ungefähr 1 kg Heu oder 500 g Hafer.
 

3Neue Tagesfuttermenge errechnen: Von Ihrer bisherigen (Winter-)Heuration oder Haferration ziehen Sie die Menge ab, die Sie errechnet haben aus der Grasaufnahmeschätzung

Leichtfuttrige Pferde

Unter leichtfuttrigen Pferden versteht man solche, die sehr gute Futterverwerter sind. Das heißt diese Pferde ziehen aus verhältnismäßig geringen Futtermengen mehr Energie sowie Nährstoffe (als andere Rassen) und laufen in Gefahr übergewichtig zu werden. Anders formuliert: Diese Pferde benötigen weniger Futter als andere, um das Idealgewicht zu erreichen.

Vermutet wird, dass diese Eigenschaft sich evolutionsbiologisch entwickelt hat, da die betroffenen Rassen in kargen Lebensräumen darauf angewiesen waren, das wenig Vorhandene gut zu verwerten. Für den Weidegang (aber auch für die Heufütterung) bedeutet dies, dass die Möglichkeiten der Futteraufnahme restriktiver zu gestalten sind, will man das Idealgewicht halten und Übergewicht verhindern. Zudem ist auf ein angepasstes Bewegungsmanagement zu achten und die Fütterung im Gesamten in den Blick zu nehmen.

Übergewichtige Pferde

Für übergewichtige Pferde stellt Weidegang leicht eine metabolische Herausforderung dar. Sie als Besitzerin bzw. Besitzer möchten Ihrem Pferd auf der einen Seite die Freuden des Weidegangs nicht verwehren, auf der anderen Seite ist es bei freiem Zugang zu Gras schwierig, das Gewicht des Pferdes zu halten bzw. gar unmöglich, es zu reduzieren.

Besonders junges, zuckerreiches Gras stellt zusätzlich zum Übergewicht ein Risiko für das Entstehen einer Hufrehe dar. Denn: Das Hufreherisiko erhöht sich mit dem Anstieg des Zucker-, Stärke- und Fruktangehaltes von Gras.

In jedem Fall muss die Grundfütterung an den Koppelgang angepasst und die Figur kritisch im Blick gehalten werden. Zu beachten ist, dass besonders übergewichtige Pferde teils erstaunliche Mengen Gras in kurzer Zeit fressen.

Optional kann die Grasaufnahme durch kurze Weidezeiten, Vorsteckweide und/oder durch eine Fressbremse begrenzt werden. Gleichzeitig sollte der Energieverbrauch bei übergewichtigen Pferden durch körperliche Arbeit erhöht werden. Junges Gras im April/Mai sollte vermieden werden, sinnvoll ist ein Anweiden in diesen Fällen, wenn überhaupt, ab Juni. Daher gilt auch für prädisponierte, also übergewichtige Pferde, dass der Weidegang kritisch überdacht werden sollte.

Mehr zum Thema Übergewicht und den Gefahren von EMS und Hufrehe erfahren Sie hier.

Zuckerempfindliche Pferde

Leider kann Gras mitunter ausgesprochen viel Zucker und auch Stärke enthalten. Besonders junges Gras ist zuckerreich, Gras mit Ähren enthält Stärke, schließlich ist Getreide auch eine Züchtung aus Gräsern. Wichtig zu wissen ist hierbei auch, dass über die Auswahl der Gräser, die auf der Koppel wachsen und die Düngung des Bodens, der Fruktangehalt des Aufwuchses beeinflusst wird. Zuckerreiche Gräser und ungedüngte Flächen bedeuten ein höheres Risiko für zuckerempfindliche Pferde. Mehr zum Thema Fruktan während des An- und Abweidens finden Sie hier.

Weideaufwüchse im Jahresverlauf mit besonders hohem Fruktangehalt sind nicht optimal, teils sogar ungeeignet für die Beweidung mit empfindlichen Pferden. Der Zuckergehalt erhöht vor allem für Pferde mit gestörtem Insulinstoffwechsel (EMS, Cushing) das Risiko für Hufrehe, da die Verstoffwechselung zu einem unphysiologischen Anstieg des Insulins im Blut führen kann. Idealerweise speckt man Pferde bereits vor Beginn der Koppelsaison ab, damit auch der Insulinstoffwechsel physiologisch auf zuckerhaltiges Gras reagiert.

Pferde, die bereits eine Hufrehe in der Vergangenheit zeigten oder an einer Störung des Insulinstoffwechsels leiden (Insulindysregulation, EMS) gehören nicht auf die Weide, da die Zucker- und Fruktan-Aufnahme bei freiem Zugang zu Gras innerhalb von 1–2 Stunden so hoch sein kann, dass das kritische Maß für den Zuckerstoffwechsel überschritten sein kann.

Bei Pferden mit Cushing mindert die Gabe des Wirkstoffes Pergolid das Risiko für eine Hufrehe.

Mehr zum Thema Übergewicht und den Gefahren von EMS und Hufrehe erfahren Sie hier.

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